Unter falscher Identität

„…Das Fachkommissariat zur Bekämpfung des Betäubungsmittelmissbrauchs war sich sicher: In seinem Zuständigkeitsbereich hatte sich eine Organisation angesiedelt, die ihren Absatz an illegalen Rauschmitteln auf jede denkbare Weise auszuweiten versuchte Entsprechende Hinweise hatten mehrere Informanten und eine Reihe von Rauschgiftkonsumenten geliefert, die von der uniformierten Polizei aufgegriffen worden waren. Aus deren Aussagen ließen sich noch mehr Schlüsse ziehen:
Die Organisation war bemüht, jegliche Konkurrenz in der Region auszuschalten. Teilweise geschah das durch Anwendung brutaler Gewalt, teilweise aber auch „mit friedlichen Mitteln“ – indem man nämlich wichtige Personen aus der Rauschgiftszene auf die eigene Seite zog. Aber um was für eine Organisation handelte es sich, wie war sie aufgebaut, wo saßen ihre Köpfe? Hier kam das Fachkommissariat mit seinen Ermittlungen vorerst nicht weiter. Zwar machte man einige kleine Dealer dingfest, aber die vertrieben ihre „Ware“ in so geringen Mengen, dass es in den meisten Fällen nicht einmal für eine Verurteilung reichte. An die wirklich „großen Fische“ kam man nicht heran. Die hatten es geschafft, eine Struktur aufzubauen, wie man es in der Organisierten Kriminalität eigentlich nicht besser machen kann: Ein Kleindealer wusste nichts, aber auch wirklich gar nichts über seinen Auftraggeber. Er bekam lediglich einen Anruf, wann und wo er die Ware übernehmen sollte. Die Drogen wurden in „toten Briefkästen“ hinterlegt, also an einer vorher vereinbarten, gut getarnten Stelle. Der Verkaufspreis wurde „von oben“ festgelegt. Der Dealer durfte einen geringen Teil des erzielten Gewinns für sich behalten, den Rest hatte er in den vereinbarten toten Briefkasten zu legen. So lief der Handel bei allen bisher ermittelten Kleindealern ab.
Es war bisher noch nicht einmal festzustellen gewesen, ob es in der Organisation einen Zwischenhandel gab, der die Mengen auf die Kleindealer verteilte, oder ob alles direkt von den führenden Personen der Organisation ausgeführt wurde. Die konspirative Art, wie die Geschäfte abgewickelt wurden, sprach für Letzteres.
Das war der Sachstand, als der Fall an unsere Zielfahndergruppe übergeben wurde.
Die folgenden Einsatzbesprechungen verliefen recht unbefriedigend. Wir spielten verschiedene mögliche Vorgehensweisen durch, die wir aber allesamt wieder verwarfen. Letztendlich kamen wir übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass wir
abwarten müssten, bis neue Fakten auf dem Tisch lagen. Aber genau in diesem Augenblick, in dem sich die Ermittlungen scheinbar festgefahren hatten, half uns der tägliche Nachrichtenaustausch im Drogenbereich weiter. In Nürnberg
war ein Dealer mit einer geringen Menge Rauschgift…“